Ein strahlender Herbsttag im Zoo in der
Bronx. Ich stand vor dem Bärengehege, wartete. Das Gehege war voll:
Schwarzbären, Kodiaks, Grizzlys, sogar ein Paar winziger japanischer
Sonnenbären. Sie tollten in der Sonne rum, tauchten ins Wasser,
rangelten miteinander aus reinem Spaß an der Freude. Früh
am Tag, friedlich und still.
Eine Schar Kinder scheuchte mich auf. Schwer zu sagen, wie alt sie waren
- sechs, acht Jahre vielleicht? Alle in Schuluniform, aber keine zwei
glichen einander. Ihr Lehrer ließ sie am Geländer antreten,
geduldig angesichts ihres Übereifers, wachsam, damit die abenteuerlustigen
Geister den Bären nicht zu nahe kamen.
Die Kinder sahen sich die Bären an - einige ernst, einige aufgekratzt.
Ein kleines Mädchen winkte fröhlich. Ein kleiner Junge schrie
irgendwas. Die Bären kümmerten sich um keinen, blieben für
sich.
Ich war geschäftlich dort. Privatgeschäfte. Also wanderte
ich runter zum nächsten Gehege. Eine einzelne Eisbärin stand
oben auf einem kahlen Felsbrocken, ihr weißer Pelz ans Eis angepaßt.
Gleichgültig und selbstgenügsam beobachtete sie den Neuankömmling.
Ein dünner Ton aus einer der Höhlen. Ein flauschiges weißes
Junges kam raus, schrie nach seiner Mutter. Der Blick der Bärin
wurde bösartig, warnend, damit ich wegblieb. Sie glitt den Hang
runter zu ihrem Jungen, stupste es mit der Schnauze auf das eisige Wasser
zu.
Sie schwammen zusammen. Dann schob sie das Kleine zum Rand des Wassers,
hob es mit einer massigen Tatze an Land. Sie zog das Junge zu sich,
leckte es, während sie mich mit einem tödlichen Blick nagelte.
"Bewacht sie das Baby?" Eine Kinderstimme neben meinem Ellbogen.
Ein kleines Mädchen, abgesondert von der Klasse.
"Yeah", sagte ich und fragte mich, woher sie das wußte.
Eine kleine Asiatin, ihr Gesicht ruhig und weise. Ein weißer Junge
stand in Schulterhöhe mit ihr, ein schwarzes Mädchen neben
ihm.
"Meine Mutter macht das", sagte sie mir.
"Meine nicht", sagte der weiße Junge.
Ich zündete mir eine Zigarette an. Ein blondes Mädchen zupfte
mich am Ärmel, deutete auf das Rauchen-verboten-Schild. Ein hübscher
Latinojunge grinste über ihre Einfalt. Ich ließ die Zigarette
auf den Boden fallen, trat sie aus. Schaute über meine Schulter
und fragte mich, wann ihr Lehrer kommen und sie einsammeln würde.
"Sind die gefährlich?" fragte ein kleines Mädchen.
"Sicher", sagte ich.
"Ich hab keine Angst", verkündete ein Junge.
"Ich möchte das Baby gern streicheln", sagte ein anderer.
Vielleicht tust du's eines Tages, dachte ich und schielte auf meine
Uhr.
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