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The Official Website of Andrew Vachss

 

In diesem Wahljahr müssen wir verlangen, dass Politiker versprechen, unsere Kinder zu beschützen, sagt ein bekannter Kinderschützer. Es wird Zeit, dass wir unsere Präsidentschaftskandidaten fragen...

Was werden Sie gegen Kindesmissbrauch tun?

Von Andrew Vachss
Ursprünglich veröffentlicht in Parade, 22. August 2004


What Are You Going To Do About Child Abuse? by Andrew Vachss

An dem Tag, als eine Spur, der ich nachging, mich zu einem kleinen Baby mit einer Geschlechtskrankheit führte, hat sich mein Leben für immer verändert. Das war vor fast 40 Jahren, als ich ein Ermittler beim amerikanischen Gesundheitsamt (U.S. Public Health Service) war. Später, als Sozialarbeiter beim Sozialamt von New York City, erlebte ich die seelenzerschmetternden Auswirkungen einer durch die Regierung verursachten Kultur der Armut. In dem heute verschwundenen Land Biafra, wurde ich Zeuge von Völkermord. Kinder als Opfer, Kinder als Zielscheiben... Kinder ohne Stimmen. Als Direktor einer Hochsicherheitsanstalt für gewalttätige Jugendliche erlebte ich, welch entsetzliche Folgen es hatte, manche Kinder nicht vor Missbrauch zu retten. Und als Rechtsanwalt, dessen einzige Mandanten Kinder sind, entdeckte ich die endgültige Wahrheit: Wenn wir daran scheitern, Kinder zu beschützen, gelingt es uns letztendlich auch nicht, uns selbst zu beschützen.

Ein Mann, den ich stolz bin, meinen Freund zu nennen, ist ein ehemalig missbrauchtes Kind, das seine Kindheit überstanden hat. Er wurde ein dekorierter Kriegsheld, ein preisgekrönter Journalist, ein glänzender Erzähler und ein begabter Redner. Er hat nie aufgehört, seinem Land zu dienen. Vor kurzem fragte mich mein Freund, "Nehmen Fälle von Kindesmissbrauch zu oder gehen sie zurück? Alles, was ich lese, scheint eine unterschiedliche Botschaft zu enthalten. Was ist die Wahrheit?"


Ein Freund fragte mich, ob Fälle von Kindesmissbrauch zunehmen . Ich sagte, die Frage die er stellen solle, lautet, "Wen kümmert es?"

Ich erklärte meinem Freund, dass er die falsche Frage stelle. Was er fragen sollte ist, "Wen kümmert es?"

Erscheint das hart oder unfair? Sind Kinder schließlich nicht "unsere erste Priorität“? Sind sie nicht "unsere größte Naturressource“? Stimmen nicht alle Amerikaner darin überein, dass Kinderschutz unsere wichtigste Pflicht ist - nicht nur als Bürger einer demokratischen Gesellschaft sondern auch als Menschen?

Die Antwort zu diesen Fragen kann weder in Studien noch in Statistiken gefunden werden. Das Wesentliche einer Kultur liegt in ihrem Leistungsverhalten, nicht in ihren Bekanntmachungen.

Nur Verhalten bringt die Wahrheit zum Vorschein. Und wo kann diese Wahrheit gefunden werden? Wir haben eine sichere Art und Weise, um die Wichtigkeit eines Themas abzuwägen: Wir beobachten einfach, wie es von denjenigen, die sich um ein Amt bewerben, angesprochen - oder nicht beachtet - wird.

In jedem großen Wahlkampf werden die Kandidaten gezwungen, zu jeder Frage, für die es eine Wählerschaft gibt, Stellung zu nehmen. Es ist eine Tatsache der amerikanischen Politik: Man kann nicht für ein nationales Amt kandidieren, ohne zu Themen wie Abtreibung, Waffenkontrolle, Umwelt, Todesstrafe und vielen anderen Punkten eine eindeutige Haltung einzunehmen, die für klar erkennbare Gruppen von Leuten von großem Interesse sind. Und solche Gruppen können nicht mit unklaren Verallgemeinerungen beschwichtigt werden. Sie verlangen Einzelheiten: Welche Gesetzgebung wird verabschiedet? Welche Programme werden finanziell gefördert?

Verlange echte Antworten

Bald werden sich die Präsidentschaftskandidaten zur Debatte treffen. Aber wir wissen aus früheren Erfahrungen, dass Kinderschutz nicht auf der Tagesordnung stehen wird. Wir bitten die Kandidaten lediglich, eine Erklärung abzugeben, dass sie „Kinder lieben“ und „die amerikanische Familie unterstützen". Die Kandidaten stimmen stillschweigend einem gegenseitigen Nichtangriffspakt zu, und fordern die pro forma Banalitäten ihres Gegners nie heraus. Also wird die Frage "Was werden Sie gegen Kindesmissbrauch tun" nie gefragt und noch weniger beantwortet.

Politiker können sich das erlauben, weil die Öffentlichkeit nicht mehr verlangt. Ein Schlagwort genügt. Glaubt jemand wirklich, dass in Amerika „kein Kind zurückgelassen wird“? Hat irgend jemand tatsächlich jemals das mythische "Dorf" besucht, das unsere Kinder heranzieht? [Anmerkung der Übers.: Anspielung auf die Erziehungsreform der Regierung Bush „No Child Left Behind“]

Angeblich haben Debatten die besondere Wählerschaft zum Ziel, die den Meinungsforschern ausweicht - die Unentschlossenen. Aber jede ehrliche Person wird bereitwillig zugeben, dass, wenn es um heikle Probleme geht, die Amerika spalten, die Unentschlossenen eine große Minderheit sind, wenn es sie überhaupt gibt. Die Wähler haben bereits ihre Meinung gebildet über Probleme wie Abtreibung oder Waffenkontrolle - die einzelnen Kandidaten müssen sich nur noch dafür oder dagegen erklären.

Trotz dieser ganzen scheinheiligen Rhetorik gibt es keine erkennbare Wählerschaft, deren Wahlstimme direkt an Kinderschutz gebunden wäre. Kinder mögen uns zwar allen wichtig sein, aber Kinderschutz war noch nie ein ausschlaggebender Punkt bei der Wahl unserer Führer.

Haben Sie einen kritischen Blick

Warum haben so viele Bundesstaaten eine Inzest-Gesetzeslücke (Gesetze, die weit mildere Strafen dafür vorsehen, wenn jemand sein eigenes Kind sexuell missbraucht als wenn dieser dasselbe Verbrechen gegen ein nicht mit ihm verwandtes Kind begeht), praktisch ein Bonus des Strafrechts an räuberische Personen, die ihre eigenen Opfer züchten? Ist das so, weil wir "die Familieneinheit respektieren" oder weil, selbst im modernen Amerika, Kinder als Eigentum ihrer Eltern wahrgenommen werden?

Warum lehnen es einige Bundesstaaten ab, Rechtsbeistand für Kinder, die missbraucht oder vernachlässigt werden, zur Verfügung zu stellen, und bieten diesen verletzbarsten aller Opfer stattdessen den „Dienst“ von Ehrenamtlichen ohne rechtliche Schulung an? Ist das so, weil Ehrenamtliche anteilnehmender sind, oder weil es so viel preiswerter ist?


Die Wahrheit ist, dass Kinder in Amerika nicht sicher sind. Wir können damit beginnen, das zu ändern — jetzt!

Warum fördern die Medien das Bild von kindlichen Opfern als Teilnehmern an den gegen sie begangenen Verbrechen? Ein ehemaliger Gouverneur von Oregon hat vor kurzem den wiederholten sexuellen Missbrauch eines 14 Jahre alten Mädchens gestanden. Die größte Zeitung des Bundesstaates berichtete über diese Reihe fortwährender Verbrechen als "Beziehung" und schilderte die Handlungsweise als "Verhältnis". Dies wäre noch viel erschreckender, wenn es nicht so weit verbreitet wäre.

Ist dies die Art und Weise, wie wir unsere Kinder lieben? Ist dies die Art und Weise, wie wir sie beschützen? Sicher, wenn ein Kind von einem Fremden entführt wird, bedeutet das Schlagzeilen auf der Titelseite. Wenn ein Kind von seinen eigenen Eltern ermordet wird, leuchten die Telefonzentralen der talk-shows auf mit Anrufen „besorgter“ Bürger, die ihre Empörung zum Ausdruck bringen. Wenn ein Baby in einer Mülltonne verlassen wird, kommen hunderte von Adoptionsangeboten. Aber diese ganze Aufmerksamkeit verblasst schließlich wie der Scheinwerfer am Ende eines Theaterstücks mit nur einem Akt. Und nichts von alledem vereinigt uns Amerikaner jemals so sehr, dass wir grundlegende Änderungen verlangen. Stattdessen begnügen wir uns mit dem hohlen Ersatz politischer Redefloskeln.

Die harte, kalte Wahrheit ist, dass der Schutz von Kindern noch nie eine politische Priorität gewesen ist. Wir sind alle wütend über Interessensgruppen, die die Regierung beeinflussen, aber wenn es um Kinderschutz geht, muss es uns erst einmal in den Sinn kommen, eine solche Gruppe zu werden.

Nehmen Sie die Gefahren zur Kenntnis

In einigen Ländern sind Kinder persönliche Habe. Sie werden als Arbeiter benutzt, als Soldaten eingezogen, zur Prostitution und Pornographie gezwungen - sogar ihre Organe werden ihnen entnommen, um davon zu profitieren. In Amerika sollten wir uns nicht selbst täuschen, dass Kindesausnutzung nicht existiert, nur weil wir Gesetze dagegen verabschiedet haben. Egal was die Statistiken in irgendeinem gegebenen Jahr zeigen: diejenigen, die auf niedrigster Ebene arbeiten - in der Sozialarbeit, Rechtshilfe, Medizin, Ausbildung und in unzähligen anderen Berufen - wissen die Wahrheit: Kinder sind in Amerika nicht sicher.

Für manche lauert die Gefahr im Schatten. Für andere ist sie im Internet. Oder innerhalb des „Vertrauenskreises“ der Kinder - Lehrer, Trainer, Babysitter, Kindertagesstättenarbeiter, religiöses Personal, Jugendführer. Aber wie immer kommt die größte Gefahr für die Kinder aus ihren eigenen Familien. Es kann in einem bestimmten Jahr mehr oder weniger Fälle von Kindesmissbrauch geben, aber es gibt ihn tatsächlich immer. Und ihn anzusprechen steht nie auf der nationalen Tagesordnung.

Manches Phänomen kann auf Zahlen und Formeln begrenzt werden. Wir wissen zum Beispiel, wie wir unser Bruttosozialprodukt bemessen. Aber wir müssen als Gesellschaft erst noch anerkennen, dass Kinder unser Nettosozialprodukt sind. Wir müssen erst noch darin übereinstimmen, dass der entscheidende Test eines Landes ist, wie es seine Kinder beschützt.

Politiker werden gewählt - und behalten ihre Jobs - nur dadurch, dass sie gute Zuhörer sind. Wenn wir unsere Kinder wirklich beschützen möchten, wird es Zeit, jedem Kandidaten zu sagen, was uns am meisten bedeutet, und zwar in der einen Sprache, die sie unweigerlich verstehen.

© 2004 Andrew Vachss. Alle Rechte vorbehalten.

Deutsche Übersetzung J. R. Oktober 2004 für The Zero

PARADE-Mitherausgeber Andrew Vachss - ein Rechtsanwalt, dessen einzige Klienten Kinder sind - ist auch Autor von 18 Romanen. Sein jüngster Roman, DOWN HERE, wurde vor kurzem von Knopf veröffentlicht.



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