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Aber ernsthaft ...
Lizenz zum Leben
Ein Cop, der alles gesehen hat, erreicht Jugendliche, indem er ihre Abwehrhaltung verringert.

Von Zak Mucha
Ursprünglich veröffentlicht in The Chicago Reader, 11. Juni 1999


Detective Sergeant Mike McNamara, from The Chicago Reader, 6/11/99 - photo by Dan Machnik
photo by Dan Machnik

„Wenn ein Betrunkener von der Polizei angehalten wird, wovon versucht er den Polizisten zu überzeugen?" Mike McNamara macht eine Pause, fasst die Fahrschulklasse an der Bremen High School ins Auge, die für die nächste Stunde seine Zuhörerschaft sein wird. Die Schüler sind still, denken, die Allerweltsantwort könne nicht korrekt sein. „Yeah - dass er nicht betrunken ist."

Vielleicht teilt McNamara Ihnen nicht mit, dass er Cop ist, bevor er Sie verhaftet, aber das sollte auch nicht notwendig sein - ein Veteran von achtzehn Jahren und Sergeant in Park Forest, könnte er geradesogut C-O-P auf seine Stirn tätowiert haben. Vielleicht erzählt er Ihnen nicht, dass er einen Magister in Strafrecht hat, dass er er an der Nationalen FBI-Akademie 1994 seinen Abschluss gemacht hat, oder dass er vierfacher Goldmedaillengewinner der Polizei- und Feuerwehr-Weltmeisterschaften ist. Aber er wird Ihnen mehr als Sie wissen wollen über betrunkene Autofahrer erzählen. Ein Mann stieß sich ins Auge, während er versuchte, den Straßen-Alkoholtest zu bestehen und drohte sofort, zu klagen. Ein anderer erbrach sich auf McNamara's neue Schuhe und fragte dann, „Gibt es ein Problem, Officer?" Noch ein anderer Mann fuhr in das Auto seines Nachbarn und versteckte sich zuhause; als McNamara und sein Partner zur Tür kamen, antwortete die Frau des Mannes, während ihr Ehemann nackt im Wohnzimmer stand. „Ich kann es nicht gewesen sein, Officer," protestierte der Mann. „So hätte ich nicht rausgehen können."

Seit zwölf Jahren unterrichtet McNamara zur Prävention des Fahrens unter Alkoholeinfluss an seiner örtlichen High School, und 1997 half er, Lizenz zum Leben zu gründen, eine gemeinnützige Organisation, die die Jugendlichen über die Verwicklungen des Autofahrens in betrunkenem Zustand unterrichtet, seien es rechtliche, körperliche oder moralische. Das Programm wird aus privaten und Unternehmens-Spenden finanziert; McNamara und zwölf weitere Polizisten aus Dezernaten von Forest Park, Chicago, und des Landes erhalten eine Vergütung für ihre Arbeit, doch den Schulen wird das Programm kostenfrei angeboten. Bisher hat es Referenten in über hundert Schulen in Illinois geschickt, ebenso in Basketball Camps, Gefängnisse, Rotary Clubs, und Lehrerseminare. Die Organisatoren hoffen, das Programm landesweit verfügbar machen zu können.

„Bring sie zum Lachen, und verlasse sie nüchtern" ist McNamara's Motto, und es funktioniert. Den größten Teil der Stunde in Bremen bekommt er die Klasse zum Lachen. Nehmen wir an, er sah Direese, ein Mädchen in der ersten Reihe, an zwei aufeinander folgenden Wochenenden auf Parties, und beide Male war sie offenkundig betrunken. Nun sieht er sie am folgenden Wochenende Auto fahren. „Sagen wir, ich bin auf Radarstation," unterstellt McNamara, „halte Ausschau nach Einbrechern, bekämpfe das Verbrechen. Meine Einheit steht auf dem Parkplatz vom Dunkin' Donuts ..."

Jemand kichert deswegen und McNamara's Stimme wird fester. „Worüber lachst du?" Er befragt die Klasse, möchte wissen, ob sie glauben, dass Cops den ganzen Tag an Donut-Läden abhängen. Nachdem die meisten von ihnen die Hand heben, beginnt er einen Vortrag über Polizei-Klischees, zieht eine Dunkin' Donuts-Serviette heraus, um seine Brille zu putzen.

Dann wieder zurück zu Direese's mutmaßlichem Fall. „Wenn sie letzten Freitag betrunken war, und sie war zwei Freitage vorher betrunken, und es ist wieder Freitag, dann wird sie heute Nacht wahrscheinlich betrunken sein, richtig? Ich sollte sie anhalten, nicht wahr?" Die Klasse stimmt zu, aber McNamara erklärt, dass selbst, wenn er sie rechts ran gewinkt hätte, und sie wäre betrunken gewesen, er vor Gericht verloren hätte, weil er keinen hinreichenden Verdacht hatte, um sie anzuhalten. Was begründet einen hinreichenden Verdacht? „Sagen wir, ich gehe zu ihr hin und frage sie nach ihrem Führerschein und sie gibt mir ihre Visa Card."

„Vielleicht konnte sie nicht sehen," schlägt jemand vor. McNamara stimmt widerwillig zu. Aber angenommen, sie röche nach Bier? „Vielleicht hat es jemand über sie geschüttet," schreien ein paar. Angenommen, ihre Augen wären blutunterlaufen?

„Sie hat 'ne Allergie!" rufen die Schüler. „Sie ist müde!"

„Sie ist high," stößt ein Junge in der Ecke hervor.

„Oh, das ist echt gut, Herr Anwalt," sagt McNamara. „'Meine Klientin war nicht betrunken; sie war high.'"

Angenommen, ihre Sprechweise wäre undeutlich? „Sie hat ein Sprachproblem!" Die Schüler finden für jedes Anzeichen von Alkoholisierung, das McNamara auflisten kann, eine Ausrede.

„Das hier hat mal eine Frau mit mir gemacht hat," sagt er. „Gab mir ihren Führerschein und ließ ihn fallen. Hob ihn auf und ließ ihn fallen. Hob ihn auf, ließ ihn fallen. Hob ihn auf, ließ ihn fallen. Schließlich sagte sie, 'Teufel, machen Sie's. Ich kann nicht.'"

„Sie hatte Arthritis!" schreit ein Mädchen.

„OK," sagt McNamara. „Ihr versteht, weshalb ihr euch für jedes Argument, das ich habe, warum sie betrunken sein könnte, legitimerweise ein Argument einfallen lassen könnt, warum sie es nicht ist?" Während all diese Hinweise anzeigen können, dass Direese betrunken gefahren ist, kann ein Cop sie nicht festnehmen, bis sie durch den Straßen-Alkoholtest gefallen ist. „Ich muss nicht nur beweisen, dass sie betrunken ist, sondern dass sie körperlich beeinträchtigt ist, ein Auto zu fahren. Also steigen Sie bitte aus Ihrem Wagen." McNamara bewegt sich auf Direese zu. Sie schaut auf die Hand, die er höflich zu ihr hinstreckt. „Steigen Sie bitte aus Ihrem Wagen, Ma'am." Sie versteht es nicht. „Freundin!" kläfft McNamara. „Steigen Sie aus Ihrem Wagen." Sie kichert, und steht von ihrem Tisch auf.

Der Straßen-Alkoholtest ist der populärste Teil von McNamara's Vorführung. Er lässt Direese den Test durchlaufen, und sie besteht mit Leichtigkeit. Dann reicht er ihr eine „Fatale Sicht"-Brille. Sie ähnelt einer Taucherbrille, aber die Plastiklinse ist getönt und kugelig. Sie beeinträchtigt Sicht und Koordination des Trägers so sehr wie ein Blutalkoholgehalt von 1,2 Promille. Füße und Hände sind nicht, wo sie zu sein scheinen, und die Zimmerecken sind verschwommen, was es schwierig macht, ein Händeschütteln anzuvisieren. Der Test zeigt den Schülern nicht nur, wie albern Betrunkene aussehen, sondern demonstriert, unter welch extremen Bedingungen manche Leute Auto fahren wollen.

Die Schüler brüllen, wenn der Träger bei den einfachsten Aufgaben versagt - auf einem Bein stehen, eine gerade Linie entlang gehen, die eigene Nase berühren. McNamara bittet den Träger, ihm die Hand abzuklatschen, einen Tennisball zu fangen. Schließlich wird die Brille weggelegt und die Klasse beruhigt sich. „Ist es lustig, Leuten zuzusehen, die das machen?" fragt McNamara. „Absolut. Es ist urkomisch. Aber das Furchterregende daran ist, dass genau so Betrunkene gehen, reden und Auto fahren."

McNamara ist nicht so dumm, den Jugendlichen nur Vorträge zu halten. Sie vom Trinken abzuhalten, mag nahezu unmöglich sein, und Teenager ignorieren oft Gerede von „schlechten Lebensentscheidungen." Unfälle im Zusammenhang mit Alkohol sind die Haupttodesursache für Menschen im Alter von sechzehn bis vierundzwanzig, und im vergangenen Jahr wurden mehr als zwölf Millionen Dollar aufgebracht, um Jugendliche wegen Verletzungen im Zusammenhang mit Alkohol in Unfallkliniken in Illinois zu behandeln. Aber diese Statistiken mögen zu abstrakt erscheinen. Teenager halten sich im allgemeinen für unbesiegbar.

„Hier ist eine wenig bekannte Vorschrift," sagt McNamara. „Wenn du 21 bist, kann ich dich nicht bitten, dich einem Atemtest zu unterziehen, wenn ich dich nicht bereits des Fahrens unter Alkoholeinfluss beschuldigt habe. Wenn du unter 21 bist, ist es das genaue Gegenteil. Sagen wir, ich halte Dave an, während er auf seinem Nachhauseweg eine Abkürzung über das Football-Feld nimmt. Während eines Spiels." McNamara durchläuft mehrere verschiedene Szenarien, behandelt Atemtests, Kautionsverhandlungen, Nüchternheit im juristischen Sinne, Null-Toleranz, Entziehung der Fahrerlaubnis, Drogentests, Bluttests, die Rechte eines Festgenommenen. Er erklärt, dass jemand wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss festgenommen werden kann, wenn er mit seiner Verabredung auf dem Rücksitz sitzt, weil der Oberste Gerichtshof des Staates Illinois entschieden hat, dass eine Person „körperliche Kontrolle über ein Fahrzeug" hat, wenn sie sich mit den Schlüsseln in ihrem Besitz irgendwo darin aufhält. Die Klasse stöhnt.

Einmal begegnete er einem Fahrer mit einem taumelnden Blutalkoholgehalt von 3,95 Promille. Der Mann saß in seinem Wagen, der mit laufendem Motor auf dem Parkplatz einer Taverne abgestellt war, und er war auf seinem Sitz ohnmächtig geworden. Als McNamara an die Scheibe des Fahrers klopfte, bekam er keine Antwort. „Ich mache die Tür auf und der Kerl fällt heraus. Er hatte seinen Sicherheitsgurt an. Also, sein Hintern berührte den Sitz und sein Kopf war auf dem Boden. Und ich höre, 'Wo ist das Problem, Officer?"

Um einen ordentlichen Messwert zu erhalten, muss ein Polizist zwanzig Minuten warten, damit sich jeglicher Alkohol im Mund des Fahrers abbauen kann. „Also saß ich da, schrieb die Strafzettel und den Bericht, während der Kerl weiter und weiter laberte. Er schaut mich an und sagte dann, 'Wissen Sie, Euer Ehren, ich habe diesen Laden in Chicago, wissen Sie, und letztes Jahr kamen diese beiden Kerle herein und schossen auf mich und brachten mich um.'" Der Punktestand des Fahrers war „einen halben Drink davon weg, rechtmäßig betrunken für fünf Leute zu sein." Aber eine Frau toppte sogar das, brachte es auf 4 Promille . Sie saß in einem Minivan, mit ihren beiden Kleinkindern.

Keiner der Schüler nimmt es richtig wahr, bis es zu spät ist, aber McNamara war ernst geworden. Die Geschichten von lächerlichen Betrunkenen haben Autopsieberichten Platz gemacht. Er hält ein Foto von verschlungenem Metall hoch, das einmal ein Pontiac Grand Am gewesen war, und deutet auf den Fahrersitz. „Den Kerl, dem dieser Wagen gehörte, kannte ich seit zehn Jahren, weil er um die Ecke von meinem Haus lebte. Ich habe diesen Jungen aufwachsen sehen." Der junge Mann hatte sich mit einem Freund vollgedröhnt, und weil er nicht so dumm war, betrunken Auto zu fahren, gab er die Schlüssel seinem Freund - der noch betrunkener war. „Die von euch, die die Brille hatten, er war betrunkener als das."

Nur ein paar Blocks von zuhause nickte der Fahrer ein. Sein Fuß drückte das Gaspedal nieder, und der Wagen stieß mit 65 Meilen in der Stunde (über 100 kmh) gegen einen Baum. „Der Junge, der auf dem Beifahrersitz war, wurde kopf vor gegen den Baumgeschleudert, aus dem Wagen katapultiert, weil er keinen Sicherheitsgurt trug." Er starb, und der Fahrer wachte im Krankenhaus auf. „Ein paar Monate danach kam er auf Krücken zur Park Forest-Polizeistation herüber, sein Bein an drei Stellen gebrochen, zusammengedrahtet, Stifte, sein linker Arm gebrochen, sein Schlüsselbein gebrochen, Schnitte über sein ganzes Gesicht von dem Glas. Stellte sich mir. Er war der Fahrer und er war betrunken und jemand war gestorben. Er wurde wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Er plädierte letztes Jahr auf schuldig, er wurde schuldig gesprochen. Und sein Anwalt hatte gute Arbeit gemacht und Bewährung für ihn erreicht. Also hier ist ein junger Kerl mit einer Verurteilung wegen Totschlags in seiner Akte. Der Junge sagte zu seinem Anwalt, 'Ich will das nicht. Gehen Sie wieder zum Richter und sagen Sie ihm, dass ich ins Gefängnis will.' Er hatte seinen besten Freund getötet, aber er hatte dennoch Bewährung bekommen."

McNamara betonte, dass, wenn sie sich entschieden zu trinken, sie die Verantwortung hätten, nicht zu trinken und zu fahren. Es ist keine öffentliche Bekanntmachung, aber jetzt ist seine Stimme leiser. „Wenn es jemand ist, den ich kenne, wird es persönlich. Meine Tochter wurde beinahe von einem betrunkenen Autofahrer getötet. Ich sah eine Frau in einem Unfall durch Fahren in betrunkenem Zustand in Flammen aufgehen. Bei 400 Fällen von Fahren unter Alkoholeinfluss wurde dreimal auf mich geschossen, einmal auf mich eingestochen, mit Knüppeln auf mich eingeprügelt, ich wurde geschlagen, getreten, geohrfeigt und so oft angespuckt, dass ich es nicht einmal mehr zähle.

McNamara bittet die Schüler, an ihre Freunde zu denken, an eine Person zu denken, die sie vielleicht jeden Tag sehen, und dann nachts noch anrufen. „'Was machst du gerade?' 'Nichts.' Ungeachtet der Tatsache, dass es nichts Neues gibt und nichts los ist, ungeachtet der Tatsache, dass ihr sie den ganzen Tag gesehen habt, findet ihr doch noch genug, worüber ihr weitere ein, zwei Stunden reden könnt. Nun denkt an eure Mutter, die euch in dieser Nacht aufweckt und euch sagt, dass diese Person gerade von einem Betrunkenen getötet wurde. Könnt ihr euch vorstellen, wie es jetzt sein wird, wenn diese Person gegangen ist? Das geistige Bild ist alles, was euch bleibt. Was wollt ihr jetzt machen? Wollt ihr dieser Person vergeben? Was wollt ihr machen?"

„Sie töten," erwidern die Schüler.

„Absolut," stimmt McNamara zu und macht eine Pause. „Ändert das Szenario ein wenig: wenn ihr aufwacht, steht eure Mom weinend da und euer Dad steht neben eurer Mom und er sieht bestürzt aus. Es ist dieser tiefe Schlaf, bei dem ihr nicht wisst, welcher Tag es ist, ihr wisst nicht, wo ihr seid. Ihr wacht ein bisschen mehr auf und euch wird klar, dass ihr nicht in eurem Schlafzimmer seid, sondern ihr seid in einem Krankenhausbett, und dann schaut ihr auf, und da steht ein Cop neben euch und er sagt, „Hey, kann ich mit Ihnen reden? Sind Sie wach?' 'Sicher, was ist das Problem?? sagt ihr. Und er sagt euch, der dumme, ignorante Betrunkene, der nicht wusste, wann man aufhört zu trinken, weil man sich einfach zu gut amüsierte, diese Person, die einen geliebten Menschen tötete, wart ihr."

McNamara bittet seine Schüler, vorsichtig zu sein und daran zu denken, was sie tun. Die Schüler schweigen für einen Moment und applaudieren dann höflich. „Es gibt gewöhnlich eine von zwei Reaktionen," sagt McNamara, nachdem sie alle verschwunden sind. „Entweder gibt es Applaus oder Todesstille. Ich mag die Stille lieber."

Deutsche Übersetzung 2003 Thomas Knorra für The Zero


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