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The Official Website of Andrew Vachss

 

Was wir tun müssen ... um unsere Kinder zu beschützen
EIN AUFRUF ZUM HANDELN VON ANDREW VACHSS

Der Unterschied

zwischen

"Krank" und "Böse"

 

Von Andrew Vachss
im Original erschienen in der Parade vom 14. Juli, 2002

Andrew Vachss ist ein Anwalt, dessen einzige Mandanten Kinder sind. Seit mehr als drei Jahrzehnten, hat er die verheerenden Auswirkungen von Kindesmissbrauch aus allernächster Nähe untersucht. Angesichts jüngster Schlagzeilen baten wir ihn, mit uns seine einzigartige Perspektive hinsichtlich eines Thema von ernstzunehmender Bedeutung zu teilen.


 

The Difference Between 'Sick' and 'Evil' by Andrew Vachss

Die Schockwellen, die von den jüngsten Veröffentlichungen über sogenannte "pädophile Priester" ausgingen, haben sich durch ganz Amerika ausgebreitet. Aber neben all unserer Wut und Abscheu pulsiert eine fundamentale Frage: Sind jene, die ihre Vertrauensposition ausnutzen, um auf Kinder Jagd zu machen (eine Kategorie von Tätern die keineswegs auf jene in religiösen Diensten begrenzt ist) krank ... oder sind sie böse?

Wir brauchen die Antwort auf diese grundsätzliche Frage. Weil wir ohne die Wahrheit nicht handeln können. Und solange wir nicht handeln, wird sich nichts ändern.

Mein Job besteht darin, Kinder zu beschützen. Er hat mich von grossen Städten bis in ländliche Dörfer geführt, vom Ghetto ins Penthouse, in Gerichtssäle und auf Schlachtfelder des Völkermordes. Aber gleich an welchem Ort, die Wahrheit blieb stets die gleiche: Einige Menschen verletzen Kinder in voller Absicht. Sie begehen unaussprechliche Taten - zu ihrem Vergnügen, für ihren Profit oder für beides.


Die Verbrechen sind so unaussprechlich, dass viele glauben, jene die sie begehen, seien psychisch krank. Doch diese sehr natürliche Reaktion ist es, die uns davon abhält die Wahrheit zu sehen.

Viele Leute, die von meinen Prozessen gegen Menschen hören, die vergewaltigen, foltern, die Kinder verkaufen oder vermieten, reagieren spontan mit, "Das ist krank!". Verbrechen gegen Kinder scheinen in solch grotesker Weise abnormal, dass die offenkundigste Erklärung ist, dass der Täter psychisch krank sein muss, in den Klauen einer Kraft jenseits seiner oder ihrer Kontrolle.

Doch diese sehr natürliche Reaktion hat unachtsamerweise die spezielle Kategorie des "schuldlosen Raubtieres." geschaffen. Diese Verwechslung von "krank" mit "unerträglich ekelhaft" ist die größte Barriere bei der Ausübung unseres primären biologischen und ethischen Auftrags: des Schutzes unserer Kinder.

Der Unterscheid zwischen krank und böse kann nicht mit fragiler "aus dem Auge des Betrachters"-Rhetorik abgetan werden. Es gibt spezifische Kriterien die wir heranziehen können, um jedesmal, in jedem einzelnen Fall, zu einer Antwort zu gelangen.

Einige dieser Antworten sind aus sich heraus offensichtlich und jenseits jeder Diskussion: Eine Mutter, die ihr Kind in den Ofen steckt weil sie Stimmen hört, die ihr befehlen, das Böse aus des Kindes Seele zu backen, ist krank; Eine Mutter, die ihr Kind für Kinderpornografie vermietet oder verkauft, ist böse. Aber die meisten Fälle von sexuellem Kindesmißbrauch, vor allem bei denen die Täter aus dem engsten Vertrauenskreis des Kindes kommen, scheinen weit komplexer zu sein.

Diese Komplexizität ist eine Illusion. Die Wahrheit ist so einfach wie schrecklich:

Krankheit ist ein Zustand.

Böse ist ein Verhalten.

Das Böse ist immer eine Frage der Wahl. Das Böse ist nicht Gedanke, sondern Verhalten. Und dieses Verhalten geschieht immer aus freiem Willen.

So sehr wie das Böse immer eine Frage der Wahlmöglichkeit ist, ist Krankheit durch die Abwesenheit einer Wahlmöglichkeit geprägt. Eine Krankheit ereignet sich. Böses wird zugefügt.

Solange bis wir den Unterschied präzise wahrnehmen, werden wir fortfahren, unsere Hilfe und Unterstützung unseren bösartigsten Feinden zukommen zu lassen. Wir, unsere Gesellschaft, entscheidet ob etwas krank oder böse ist. Jede Entscheidung erlegt uns eine Verpflichtung auf. Krankheit sollte behandelt werden. Böses muß bekämpft werden.

 


Für manche ist die Frage, "Existiert das Böse?" philosophischer Natur. Für jene, die zu Opfern wurden, stellt sich diese Frage nicht einmal.

Wenn eine Person sexuelle Begierden oder Fantasien über das sexuelle Ausnutzen von Kindern hat, dann kann diese Person krank sein. (es ist zutreffend: wenn diese Sehnsüchte vom Betreffenden als störend, als ein Gegensatz zu etwas Erfreulichem empfunden werden, dann mag es für dieses Individuum eine "Heilung" geben.) Aber wenn dieses Individuum sich entscheidet, diese Begierden auszuleben, dann ist dieses Verhalten böse. Menschen sind nicht was sie denken; sie sind was sie tun.

Unsere Gesellschaft mißtraut dem Begriff "böse". Er hat einen fast biblischen Klang, etwas woran wir glauben (oder nicht), aber nichts, das wir tatsächlich verstehen.Wir bevorzugen wissenschaftlich klingende Begriffe wie "Soziopath." Aber Soziopathie ist kein mentaler Zustand; es ist ein spezifisches Bündel von Verhaltensweisen. Die Diagnose wird lediglich durch das jeweilige tatsächliche kriminelle Verhalten bestimmt.

Kein angesehener Psychiater behauptet, einen Soziopathen, oder -um beim Thema zu bleiben- einen rücksichtslosen Pädophilen heilen zu können. Nicht einmal der optimistischste Profi kann darauf abzielen, die Gefühle und Gedanken einer solchen Person zu ändern. Sie hoffen, dass der Täter Selbstkontrolle lernen kann und dass diese dann zu einer Verhaltensänderung führt.

Diese Hoffnungen ignorieren die unübersehbare Tatsache, dass die überragende Mehrheit jener, die hinter Kindern her sind, ihr Verhalten gar nicht ändern wollen - sei wollen lediglich die Konsequenzen mindern, die es hat, wenn sie erwischt werden.

Im Tierreich gibt es eine Fresskette - Jäger und Beute. Unter Menschen gibt es diese natürliche Ordnung nicht. In unserer Spezies wählen sich die Jäger selbst für diese Rolle aus.

Die Psychologie hat uns viele Einsichten von großem Wert beschert. Aber sie hat unsere Wahrnehmung auch mit Euphemismen vernebelt. Zu sagen, ein Täter leide unter der "Krankheit" der Pädophilie, bedeutet den Jäger von der Verantwortung für sein Verhalten freizusprechen.

Stellen sie sich vor ein Anwalt, der jemanden vertritt, der wegen einem Dutzend Raubüberfälle angeklagt ist, würde der Jury sagen, sein Mandant leide an einem "bewaffneter-Raubüberfall-Syndrom". Die Jury käme zu dem Ergebnis, dass der einzig Verrückte im Gerichtssaal der Anwalt ist.

Wenn der pädophile Täter sich als "krank" bezeichnet, dann ist der Zeitpunkt dieser Behauptung ein kritischer Punkt um die Wahrheit zu finden. Pädophile bringen sich sehr sorgsam in Vertrauenspositionen. Sie wählen ihre Beute aus und nähern sich ihr vorsichtig. Stück für Stück, manchmal über mehrere Jahre hinweg, erlangen sie grössere Kontrolle über ihre Opfer. Schließlich lassen sie Dutzende von dauerhaft geschädigten Kindern hinter sich zurück.

Aber erst wenn sie erwischt werden, beanspruchen diese Pädophilen für sich, krank zu sein. Und je mehr Opfer es gibt, um so kranker (und damit umso weniger verantwortlich) behaupten sie zu sein.

In zu vielen Fällen wird dann ein Schleier des Geheimnisses und des Schutzes aufgebaut. Die eigene Organisation des Täters beruft sich zu dessen Richter und Jury. Der Täter wird als krank befunden und begibt sich in die hauseigene "Krankenbehandlung." Die Wahrheit kommt nie an die Öffentlichkeit. Wenn dann irgendein geheimes Tribunal entscheidet, dass Heilung erzielt wurde, werden die Rechte und Privilegien des Täters wiederhergestellt und er oder sie bekommt eine neue Anstellung.

Solche privilegierten Täter erhalten tatsächlich Unterstützung. Sie treten mit dem Segen ihrer Institution in neue Gemeinden ein, ihre Geschichte und Neigungen werden geheimgehalten. Als direktes Ergebnis vertrauen ihnen nichtsahnende Eltern ihre Kinder an. Unausweichlich nimmt der Täter schließlich seine alten Verhaltensweisen wieder auf und stellt Kindern nach. Wenn diese Verhalten schließlich ans Licht kommt, taucht ebenso schnell die Beanspruchung, krank zu sein wieder auf.

Viel zu oft verbiegt sich unsere Gesellschaft um solche Täter zu entschuldigen. Wir sind so sehr bestrebt, all jene, die Kinder sexuell mißbrauchen als "krank" zu bezeichnen, so schnell damit zu verstehen, welche Dämonen sie verfolgen. Warum? Weil Krankheit nicht nur die Möglichkeit einer Heilung anbietet, sondern uns zudem versichert, das der Täter es nicht wirklich so gemeint hat. Trotz allem scheint es der menschlichen Natur zu entspringen, unmenschliches Verhalten verstehen zu wollen.

Im Gegensatz dazu erschreckt uns das Konzept des "Bösen" . Die Vorstellung, dass manche Menschen frei wählen, auf Kinder Jagd zu machen, flößt Furcht ein und die von ihnen demonstrierten Fähigkeiten der Tarnung erhöhen diese Furcht noch.

Für manche ist die Frage, "Gibt es das Böse?" philosophischer Natur. Für jene, die zu Opfern wurden, stellt sich diese Frage nicht einmal. Wir sind was wir tun.


Wir sind nicht hilflos. Wir haben die Macht das Verhalten von Pädophilen zu beenden. Wir können einen Schleichweg des Bösen schließen.

Ebenso wie Verhalten eine Frage der Wahl ist, ist es unsere gegenwärtige Hilflosigkeit. Wir mögen machtlos gegen die Arroganz jener sein die glauben, sie alleine sollten die Befugnis haben darüber zu entscheiden, wann gewalttätige Pädophile "krank" sind und wann sie als "geheilt" gelten. Aber, ebenso wie die Täter selbst, haben wir die Macht, ihr Verhalten zu beenden.

In jedem Bundesstaat macht das Gesetz die Angehörigen bestimmter Berufe, die regelmäßig mit Kindern in Kontakt kommen, wie z.B. Lehrer, Ärzte, Sozialarbeiter und Betreuer zu "obligatorischen Berichterstattern". Von diesem Personal wird verlangt, jeden begründeten Verdacht von Kindesmißbrauch zu melden, der ihnen bekannt wird. Es nicht zu tun, wird als ein Verbrechen behandelt.

Bis heute haben wir die religiösen Institutionen von diesen Gesetzen ausgenommen. Die jüngsten Ereignisse haben die katastrophalen Ergebnisse diese Ausnahme aufgezeigt. Wir müssen -jetzt- verlangen, dass der Gesetzgeber diesen Schleichweg des Bösen schließt.

Ein Pädophiler, der in eine ahnungslose Gemeinde "recycelt" wird, betritt sie mit einem Schutz, der keinem anderem Sexualstraftäter zuteil wird. Wären Mitglieder religiöser Orden "obligatorische Berichterstatter", müßten wir uns nicht auf das gutgläubige Vertrauen dieser Institutionen verlassen, dass ein Kinderschänder geheilt ist. Wir könnten wohlinformiert unsere eigenen Entscheidungen in dieser höchst lebenswichtigen Frage treffen.

Gesetzesänderungen in dieser Weise haben nichts damit zu tun, sich in die Privilegien des Beichtgeheimnisses einzumischen. Wenn die missbrauchten Kinder oder ihre Eltern den Missbrauch enthüllen, dann beichten sie nicht, sondern schreien um Hilfe. Weder Vertraulichkeit noch religiöse Freiheit wären in irgendeiner Weise von obligatorischer Berichterstattung eingeschränkt.

Die Änderung der Gesetze dahingehend, dass jene, die einem religiösen Stand angehören, ebenfalls zu obligatorischen Berichterstattern gemacht werden, ist genau das Richtige. Die Zeit dafür ist gekommen.

© 2002 Andrew Vachss. All rights reserved.

Deutsche Übersetzung von Andreas Huettl, 2003, für The Zero


Was Du tun kannst

Wenn Dich dieser Artikel wütend macht, dann lass`diese Wut heraus. Schreibe an Deinen Abgeordneten; sag` ihm dass Priester, Rabbis, Prediger, Imame, Älteste ... alle die in religiösen Vereinigungen tätig sind ... von Gesetzes wegen verpflichtet sein sollten, einen begründeten Verdacht von sexuellem Missbrauch den Behörden mitzuteilen. Der Präsident der U.S. Bischofskonferenz, Wilton Gregory, hat neulich eingestanden, dass das Gesetz den Angehörigen religiöser Vereinigungen "Optionen" einräumt, die manchmal in unmoralischer und gefährlicher Weise wahrgenommen werden:

"Wir sind die diejenigen, die sich entschlossen haben, bestimmte Taten den Behörden nicht zu melden, weil das Gesetz es nicht von uns verlangt."*
—Bishop Wilton Gregory
Präsident der U.S. Bischofskonferent

(* aus Bischof Gregory's Eröffnungsansprache bei der U.S. Bischofskonferenz, 12. Juni , 2002, in Dallas, Texas; wie bei CNN berichtet.)


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