Saarbrücken (26.02.2003)
Erste erschütternde Geständnisse im Fall des vermissten Pascal aus
Saarbrücken:
Mitglieder einer Gruppe von Kinderschändern und Prostituierten haben
zugegeben, den seit eineinhalb Jahren vermissten kleinen Jungen sexuell
missbraucht und ermordet zu haben.
Der Leiter der Saarbrücker Kriminalpolizei, Peter Steffes, sagte
am Mittwoch, von den zwölf festgenommenen Männern und Frauen gebe
es mehrere übereinstimmende Aussagen, nach denen Pascal bereits am
30. September 2001 getötet wurde. Anschließend sei er in einer mehrere
Quadratkilometer großen Kies- und Sandgrube eines ehemaligen lothringischen
Kohlebergwerks in Schöneck bei Saarbrücken verscharrt worden. Der
damals fünfjährige Pascal, sein mittlerweile siebenjähriger Spielkamerad,
mindestens noch ein kleines Mädchen und vermutlich auch andere Kinder
waren zuvor laut Polizei wiederholt und wahrscheinlich über Monate
hinweg in einer Bier-Klause in Saarbrücken-Burbach sexuell missbraucht
worden.
Die Wohnung der Familie von Pascal war nur etwa 100 Meter von dieser
ehemaligen «Tosa-Klause» entfernt, in die inzwischen ein italienischer
Pizza-Service eingezogen ist. Hinweise, dass Pascals Familie in den
Fall verwickelt ist, gibt es nicht. Auch Freier zahlten in der im
sozialen Brennpunkt Burbach gelegenen Klause für Sex mit Kindern,
geht aus den bisherigen Ermittlungen der Polizei hervor. Einzelheiten
dazu und über die Art, wie Pascal getötet wurde, nannte die Polizei
nicht. Fest steht bisher nur: Einer der Dreh- und Angelpunkte der
Kinderschänder-Gruppe war die Ex-Wirtin der Klause, die mit anderen
erwachsenen Frauen dort offensichtlich auch der "normalen" Prostitution
nachgegangen ist. Die inzwischen 50-Jährige war zeitweise vom Jugendamt
des Stadtverbandes Saarbrücken als Pflegemutter für Pascals Freund
bestellt, der mit seinen Aussagen die Ermittlungen gegen die Kinderschänder-Gruppe
entscheidend vorangebracht hatte.
"Die Ermittlungen können noch Wochen oder gar Monate dauern", sagte
der Leitende Oberstaatsanwalt Raimund Weyand. Er ermittelt gegen die
zwölf Festgenommenen - acht arbeitslose Männer sowie vier Frauen im
Alter zwischen 35 und 60 Jahren - wegen gemeinschaftlichen Mordes
an Pascal. Wegen schweren sexuellen Missbrauchs in anderen Fällen
wird noch gegen zwei andere Verdächtige ermittelt.
Dazu kommen gesonderte staatsanwaltliche Ermittlungen gegen eine
Sozialarbeiterin im Saarbrücker Jugendamt, die der Bierklausen-Wirtin
die Vormundschaft über den später sexuell missbrauchten Pascal-Freund
übertragen hatte. Diese schon 1995 ausgesprochene Pflegschaft war
der Wirtin nach Darstellung eines Stadtverbandsprechers aber bereits
zur Jahreswende 2000/2001 wegen Verwahrlosung des Kindes entzogen
worden. Hinweise auf sexuellen Missbrauch habe es damals nicht gegeben.
Der kleine Junge, der laut Polizei inzwischen in
sicherer Obhut ist, hatte seinen neuen Pflegeeltern von den sexuellen
Übergriffen in der "Tosa- Klause" erzählt. Immer noch fehlt die Leiche von Pascal. Rund
zwei Dutzend deutsche und französische Polizeibeamte nahmen am Mittwochmorgen
mit Hilfe von Leichenspürhunden die Suche nach dem Leichnam wieder
auf. Techniker der Polizei mussten dabei für die Spürhunde erneut
Löcher in den noch gefrorenen Sand bohren. Seit Freitag war die Suche
wegen der widrigen Witterungsbedingungen ergebnislos verlaufen.
update: 28.02.2003 : Saarbrücken (dpa) - Die Hauptverdächtige
im Fall des wahrscheinlich sexuell missbrauchten und ermordeten fünfjährigen
Pascal war zeitweise Schöffin für Jugendsachen am Amtsgericht Saarbrücken.
Ein Sprecher des Amtsgerichts sagte am Freitag, eine Frau mit Namen
und Daten dieser Verdächtigen sei von 1997 bis 2000 Schöffin gewesen.
Ein 31-jähriger verurteilter Sexualstraftäter, der auch im Zusammenhang
mit den Vorkommnissen in der Saarbrücker Tosa-Klause zeitweise in
Untersuchungshaft gesessen hat, soll nur vier Tage nach seiner Entlassung
einen achtjährigen Jungen missbraucht haben. Der Mann, der inzwischen
wieder in Untersuchungshaft sitze, sei zumindest teilweise geständig,
sagte Oberstaatsanwalt Raymund Weyand in Saarbrücken.
update 27.09.2004: Im Prozess um den Mord an dem fünf Jahre
alten Pascal aus Saarbrücken hat sich eine Angeklagte erstmals umfassend
zum Tod des Jungen geäußert. Sie habe gesehen, wie ein 42 Jahre alter
Mitangeklagter das Kind am 30. September 2001 im Hinterzimmer der
Bierkneipe «Tosa-Klause» vergewaltigte. Eine 40 Jahre alte Beschuldigte
habe Pascals Kopf in ein Kissen gedrückt, weil der Kleine vor Schmerzen
laut schrie. Plötzlich habe sich der Junge nicht mehr bewegt. "Es
hat ausgesehen, als ob der Kleine tot war", sagte die 51 Jahre
alte Reinemachefrau vor dem Saarbrücker Landgericht. Pascal ist seit
dem 30. September 2001 verschwunden. Die Ermittler gehen davon aus,
dass er in der "Tosa-Klause" vergewaltigt und getötet wurde. Seine Leiche
wurde jedoch bislang nicht gefunden. Seit einer Woche müssen sich
13 mutmaßliche Mitglieder eines Kinderschänderrings wegen Mordes,
schweren sexuellen Missbrauchs und Beihilfe zu beiden Taten verantworten.
Die 51-Jährige, die wegen Beihilfe zum Mord angeklagt ist, erzählte
vor dem sichtlich betroffenen Publikum im Saal weiter, wie der reglose
Körper des Jungen in eine Wolldecke gewickelt worden sei. "Die war
sonst für Hunde vorgesehen." Sie habe dann gemeinsam mit der Hauptangeklagten,
der Kneipenwirtin, einen blauen Müllbeutel aufgehalten, in den der
tote Pascal verpackt worden sei
update 07.09.2007: Alle
Angeklagten freigesprochen.
Der Prozess um
das Verschwinden des fünfjährigen Pascal aus Saarbrücken ist mit
Freisprüchen zu Ende gegangen. Das Saarbrücker Landgericht befand die
verbliebenen zwölf Angeklagten am Freitag weder des Mordes noch des
Kindesmissbrauchs für schuldig. „Der Verdacht bleibt, aber auf
einen bloßen Verdacht hin darf niemand verurteilt werden“.
erklärte der Vorsitzende Richter Ulrich Chudoba am Freitag in der
Urteilsbegründung des Saarbrücker Landgerichts.
Die
Staatsanwaltschaft hat Revision angekündigt.
mehr:
FAZ spezial
Bundesgerichtshof bestätigt Freisprüche
Gegen die Freisprüche von vier Angeklagten,
unter anderem auch gegen den Teilfreispruch der Wirtin der Tosa-Klause,
legte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken Revision beim Bundesgerichtshof
(BGH) ein. Mit Urteil vom 13. Januar 2009 bestätigte der BGH
jedoch das Urteil des Saarbrücker Landgerichts. Die Freisprüche
seien nach Ansicht des BGH nicht zu beanstanden. Fehler bei der Beweiswürdigung
wären nicht festzustellen. Das Urteil sei sorgfältig und
eingehend begründet. Insbesondere habe das Landgericht keine
überspannten Anforderungen an die zu einer Verurteilung erforderliche
Überzeugungsbildung gestellt. Es habe vielmehr stets im Blick
gehabt, dass fünf der in ihrer Persönlichkeitsstruktur auffälligen
Angeklagten zeitweise bei Vernehmungen im Ermittlungsverfahren, Explorationen
durch Sachverständige und teilweise auch noch in der Hauptverhandlung
– jedenfalls zum Teil – geständige, später aber
widerrufene Angaben gemacht haben.Entscheidung unabwendbar. Lediglich
die Wirtin der Tosa-Klause wurde wegen eines Drogendelikts zu einer
Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt.
BGH, Pressemitteilung Nr. 6/09 vom 13.1.2009, Az.
4 StR 301/08