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Devil
von Andrew Vachss


"Warum wollen Sie ihn abgeben? Hat er Sie angefallen, oder was?" Ich setzte mich auf dem ramponierten Bürostuhl aus Plastik zurecht und kraulte den großen Dobermann hinter den Ohren, wie er es mochte. Der fette Mann saß mir gegenüber an einem alten Holztisch unter einem gemalten Metallschild.

CENTURION WACHHUNDE - Verkauf und Vermietung. Er hielt einen Bleistift in der Hand, vor ihm lag ein Klemmbrett. Die Ärmel seines angegrauten T-Shirts waren hochgekrempelt, auf dem rechten Bizeps die Tätowierung einer Hula-Tänzerin. Als der Speck noch Muskel war, wackelte die Tänzerin mit dem Arsch, wenn er den Arm anwinkelte.

Ich riß mit dem Daumennagel ein Streichholz an, hielt es an meine Zigarette. Die Ohren des Dobermanns waren angelegt, der sehnige Hals schmiegte sich sanft an das Würgehalsband. "Das ist ein Haufen Scheisse", sagte ich zu dem fetten Mann. "Dobermänner greifen nicht an. Man sagt es ihnen nach, aber den schlechten Ruf haben sie nicht verdient. Was passiert, ist doch folgendes: Ein Typ hört all diese Geschichten, okay? Er bekommt einen Dobie als Welpe und beschließt dafür zu sorgen, daß der Hund, wenn er ausgewachsen ist, ihn niemals angreift.

Also schlägt er den Hund jeden Tag windelweich. Spielt seine Macht aus. Einem jungen Hund Angst zu machen, ist einfach. Manche Leute fühlen sich knallhart, verstehen Sie? Aber in einem Punkt sind Dobermänner anders als andere Hunde: Sie haben ein gutes Gedächtnis. Ein sehr gutes sogar. Irgendwann will der Kerl seinen Hund wieder schlagen, und der Hund denkt sich: "Ne, heute nicht, Kumpel." Und der Hund macht ihn fertig. Wie er es verdient. Und dieser Kerl, der sein eigenes Hundebaby schlägt, der sagt: "Der Dreckskerl hat mich angegriffen." Verstehen Sie, was ich sagen will?"

Herausforderung funkelte in den Augen des fetten Mannes. Verschwand, als ich den Ball zurückgab. Seine Stimme war sanft, aber hinterhältig: "Wenn er Sie nicht angefallen hat, warum geben Sie ihn dann ab?" Meine Miene blieb unverändert. "Er hat einen Gehirnschaden. Ich mußte ihn in ein Tierheim geben, als ich für längere Zeit nicht in der Stadt war. Dort hat er sich von den Hunden einen Virus geschnappt. Ist fast gestorben."

"Ich finde, er sieht okay aus." "Oh ja. Körperlich ist er in ausgezeichneter Verfassung. Aber mit seinem Kopf stimmt was nicht. Er sitzt einfach so da, und wie aus heiterem Himmel legt er plötzlich los. Er ist nicht sicher. Man kann ihn nicht in der Wohnung haben oder so." "Ehrlich? Ich meine, er sieht so brav aus und alles. Müßte einiges wert sein..." Ich ruckte unmerklich an der Kette des Dobermanns. Seine Ohren stellten sich blitzschnell. Ein grauenerregendes Knurren drang zwischen seinen aufblitzenden Fängen hervor. "Schluß!" brüllte ich ihn an, zerrte wieder. Er stürzte sich auf den fetten Mann. Ich riß einmal hart an der Kette. Die Ohren des Hundes wurden wieder flach, als wäre nichts gewesen."Was habe ich gemacht?" fragte der fette Mann und rieb sich die Hände. "Nichts. Es liegt nicht an Ihnen. Er ist einfach übergeschnappt. Es ist nicht seine Schuld." "Ja. Ja, vielleicht könnte ich ihn ein Lagerhaus bewachen lassen. Oder so. Aber viel zahlen kann ich nicht...Ich meine, er ist nicht ausgebildert oder so." "Haben Sie einen Transportkäfig?" "Der Laderaum des Kombis." Ich führte den Dobermann auf die Rückseite des Ladens zum Käfig. Der fette Mann öffnete die Tür. Ich riß an der Kette, und der Dobermann sprang hinein, so ruhig wie Öl auf Wasser. Der fette Mann knallte den Käfig zu. Der Dobermann sah mich an. Ich steckte meine Hand in den Käfig, kraulte seinen Kopf. Drehte ihm den Rücken zu. Der fette Mann gab mir das Geld. "Wie heißt er?" frage er mit gezücktem Bleistift. "Devil", sagte ich.

Das Betonwerk stand einsam und allein auf der Steppe eines zweieinhalb Hektar großen Grundstückesin Brooklyn. Umgeben von einem knapp zwei Meter hohen Maschendrahtzaun mit gerolltem Nato-Draht oben drauf. In der Nähe nichts außer leerstehenden Fabriken. Keine Straßenlaternen. Das Hauptor war breit genug für die Laster, die jeden Tag Sand und Kies lieferten. Die beiden Torflügel wurden von einer schweren Kette mit Vorhängeschloß zusammengehalten. Am Zaun war ein weißes Metallschild angebracht. Große, rote Buchtstaben: BEWACHT VON KAMPFHUNDEN. Es war Anfang Juni, zehn vor sechs in der Frühe. Ich beobachtete die Hunde durch das Fernglas. Zwei Schäferhunde, das Fell dicht vom Betonstaub verfilzt. Ein stämmiger Rottweiler. Und ein schlanker Dobermann. Okay.

"Es muß wie ein Unfall sein. Dieser Kerl, der ist unvernünftig. Mit den anderen Partnern haben wir keine Probleme. Die kapieren, wie's läuft. Wie's laufen muß. Dieser Typ ist ein sturer Bock. Wenn er erschossen wird oder so, verstehen die anderen vielleicht, warum; vielleicht kriegen sie aber auch Schiß und rennen zu den ferales. Sie wissen ja, wie sowas läuft." "Ich weiß." "Wenn Sie das Ding hier schaukeln, haben Sie bei uns einen sicheren Platz. Das habe ich Ihnen ja schon gesagt." Meine Miene blieb unverändert. So wie man mir's beigebracht hat. Da, wo ich aufgewachsen bin. Der Mann in dem weißen Seidenhemd beobachtete mich, wartete. Ich wartete auch. Noch etwas, das man mir beigebracht hat. Er zuckte mit den Achseln. "Die Hälft jetzt, die andere, wenn es erledigt ist?" frage er. Ich öffnete die Hand für das Bargeld.

Zwei Tage später hielt ich mit dem Leihwagen direkt vor dem Tor. Die Sonne ging auf, es würde bald hell werden. Ich zog die Lederhandschuhe an. Sie waren mit feinem Drahtgewebe gefüttert. Ich kniete mich hin, richtete die Polaroidkamera auf die Fabrik. Wartete. Ich hörte seinen Wagen kommen. Schaute nicht auf. Reifen kreischten, als der weiße Caddy sich quer vor meinen Wagen stellte, jedes Entkommen verhinderte. Er sprang heraus, fuchtelte mit dem Moniereisen herum. "Was, glaubst Du, verdammt nochmal, was du hier machst?" Ich versuchte, die Kamera unter meiner Jacke zu verstecken, zurück in meinen Wagen zu kommen. Er stellte sich mir in den Weg. Sein Gesicht war eine Fratze voller Angst und Haß, auf seinen Lippen weißer Schaum. "Du verdammter Schweinehund! Du nimmst mir nicht, was mir gehört. Ich habe für das hier gearbeitet! Sag diesen Bastarden, daß ich niemals bezahlen werde!"

Mit ihm war nicht zu reden. Er ging auf mich los, schlug mit dem Moniereisen nach meinem Kopf. Ich ließ die Kamera fallen, fing den ersten Schlag mit der linken Hand ab, wirbelte zu ihm herum, stand mit dem Rücken zum Tor. Die Hunde drehten durch. In meiner Hand öffnete sich ein Schnappmesser.

Ich duckte mich, arbeitete mich vor, hielt eine Hand ausgestreckt, um den nächsten Schlag mit dem Moniereisen abzuwehren. Er war ein großer, schwerer Mann mit massigen Schultern. Er hatte schon früher Messer gesehen. Er wich zurück, parallel zum Tor. Hob die rechte Hand, täuschte einen Schwinger mit dem Moniereisen vor und rammt die Schulter gegen das Tor, drückte einen Spaltbreit auf. "Schnappt ihn euch!" schrie er. Und der Dobermann schoß durch die Öffnung an ihm vorbei und auf mich zu.

"Devil!" brüllte ich. "Faß! Faß ihn, Junge!" Der Dobermann wirbelte herum und stürzte sich auf den großen, schweren Mann wie ein Tornado auf ein Bauernhaus. Grub seine Zähne tief in den Oberschenkel. Der Schrei des Mannes beschrieb eine nicht mehr menschliche Oktave, als er das Moniereisen hob, um dem Hund den Kopf zu zerschmettern. Ich versetzte ihm einen satten Haken in den Bauch, und er ging in die Knie. Der Dobermann packte ihn an der Kehle. Ein rotweißer Brocken flog durch die Luft. Es war schnell vorbei. "Devil! Aus!" brüllte ich. Der große Hund wich zurück, das Maul in Blut gebadet. Ich öffnete die Heckklappe meines Wagens, gab dem Hund das Zeichen, und er sprang hinein.

Ich stemmte die Schulter gegen das Tor und schob die Leiche des Mannes hinein, den Kopf zuerst. Die anderen Hunde stürzten sich auf den Körper. Ich ließ ihn liegen. Es ist alles eine Frage der Erziehung.

 

© 1994 Andrew Vachss. All rights reserved.

 

Diese Story finden Sie in Kreuzfeuer von Andrew Vachss.

 



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